Ironman Florida (von Sascha)

geschrieben von Eric Borger am 05.11.2005


Das Rennen 5.November 2005 Ironman Florida – Wunsch war sub. 11 Stunden !

4:00 Wecker klingelt, Aufstehenszeit. Die Nacht war anfangs sehr unruhig, aber dank meiner Allergietablette, die etwas einschläfernd wirkt, hab ich dann doch noch super gut geschlafen. Da wir nie gegen den Jetlag angegangen sind, fiel uns das Aufstehen auch nicht wirklich schwer ! Ich musste ja drei Stunden vor dem Start gefrühstückt haben, da nach drei Stunden mein Insulin nicht mehr wirkt. Also, Armin hatte schon Brötchen geholt und somit gab es meine geliebten Nutella-Brötchen ! Wo ich mich das ganze Jahr zurückhalte, kann ich hier so richtig die Brötchenhälfte vollknallen. Hmmmmmmmmmm !!! ;o)

Nach dem Frühstück noch mal alles durchgehen, die restlichen Tüten erneut kontrollieren, Renn Outfit anziehen, Flaschen fertig machen. Nein, bei mir ist das noch lange keine Routine, im Gegenteil ! Normal habe ich einen Zettel, auf dem ich Schritt für Schritt alles einpacke und vorbereite. Doch diesen hatte ich diesmal nicht zur Verfügung, was mich nicht unbedingt beruhigte !!! Egal, AWG = Alles wird gut ist ja meine Devise, ich weiß nicht, wie oft ich und wir uns das die letzten Tage gesagt hatten. Aber ich glaubte es wirklich, dass alles gut würde. Ich fühlte mich die ganzen Tage, die Wochen zuvor schon sehr gut und wirklich bereit für meinen zweiten Ironman, hatte ich doch noch etwas gutzumachen von Frankfurt !!!
Ums Schwimmen machte ich mir gar keine Sorgen, mir war es völlig gleich, ob ich nun 1:10 oder 1:12 brauchen würde. Ich wollte nach 1:15 auf dem Rad sitzen, das war mein Ziel und wenn es geht, ohne Magenentleerung und Übelkeit wie beim Ostseeman. Auf dem Rad bin ich kontinuierlich in diesem Jahr stärker geworden, sie ist sogar zu meiner Lieblingsdisziplin geworden. Und das Laufen… endlich nach Frankfurt konnte ich richtig laufen trainieren ohne die ganzen Beschwerden wie zuvor im ganzen Jahr. Auch hier fühlte ich mich endlich fit, jedoch immer noch mit ´ner Menge Respekt, da sicherlich nicht zwei Monate ausreichen, um von einer „ausreichenden Vorbereitung“ zu sprechen !
Also, noch ein paar lustige Bilder in voller (IM)-Montur vor der Deutschland-Hessen Fahne und dann ging es los. Wir hatten noch ca. 1,5 km mit den ganzen restlichen Sachen zurückzulegen und direkt nach unserer Unterkunft war schon die Strasse abgesperrt. Und jetzt war ich auch endlich aufgeregt. Die ganze Woche zuvor fehlte mir so ein wenig die Aufgeregtheit, aber nein, ich war die Ruhe selbst. Im Nachhinein gesehen eigentlich doch ganz gut ! ;o) Nun ja, je näher wir der Wechselzone kamen, desto mehr Leute waren zu sehen, je mehr stieg die Aufregung. Am Eingang angelangt, wurden unsere Startnummer auf die Oberarme gemalt und unser Alter auf die Waden. Rein ins Getümmel, als erstes zum Rad. Es war jede Menge Taureif auf meinem geliebten Velo, aber ich hatte ja noch einen Baumwollhandschuh und Sprüh-Schmiere dabei, um meinen Kojoten gebührend zu pflegen. Er sollte es mir später danken ……
Als ich meine Reifen aufpumpen wollte, der erste Schreck. Dieser Sch… Adapter passte wieder nicht. Schon in Deutschland, hatte ich zuletzt schon Probleme damit gehabt. Jetzt wurde mir richtig heiß und so ein bisserl Panik kam auf. Ich also das Vorderrad rausgemacht und wollte zu den Radtechnikern gehen, dass die mir helfen, aber dann habe ich es auf einmal doch geschafft. Als ich dann beide Reifen schön mit 11 Bar bepresst hatte und mein Bike endlich fertig war, fiel mir ein Stein vom Herzen.
Special Need Bags hatte ich noch ! „Was ? Wo sollen die hin ? Außerhalb der Wechselzone ??? Hab ich da etwa schon wieder nicht aufgepasst gehabt ? Ich gehe aber nicht wieder ganz außen rum, sondern klettere ausnahmsweise mal über die Absperrung ! ;o)
O.K., die sind auch weg. Zur Erklärung, Special Need Bags sind selbst bepackte Tüten, die man auf der Hälfte der Radstrecke und kurz nach dem Halbmarathon gereicht bekommt. Für mich also eine Radflasche mit meinem eigenen Konzentrat zum Wiederauffüllen des Jetstreams am Lenker und zweier kleiner Flaschen, auch wieder mit Konzentrat auf der Laufstrecke.
Nun gut, die waren also auch jetzt weg ! Jetzt noch schnell den Neo an, den Hals mit Melkfett eingerieben, alles andere Verpackt und diese Tüte auch in die dafür vorgesehenen „Mülltonnen“ ! Hier treffe ich auch Thorsten wieder im Gewühl und wir gehen zusammen Richtung Schwimmstart. Schön, dass ich ihn getroffen habe und ich nicht allein unter den anderen mehr als 2000 schwarzen (dies ist keine rassistische Äußerung) Gummimenschen zum Strand laufen muss. Es wird immer lauter, Musik spielt, eine permanente laute Stimme schwingt in einer Tour reden, sie sind in englisch, ich habe keine Lust mehr dazu konzentriert zuzuhören, also verstehe ich auch eigentlich kein Wort, es wird immer voller. Wir sind beide echt platt und total begeistert. Es ist eine riesige Spannung in der Luft, es ist einfach nur ein geiles aufregendes Gefühl inmitten der ganzen anderen Chaoten zu stehen und zu wissen, wie viel jedem Einzelnen es bedeutet, jetzt hier und heute zu stehen. Es ist eine riesen Stimmung, die wohl nur bei den Ami´s so möglich ist, manche sind total gelöst und ausgeflippt, manche sind voll konzentriert. Ich sehe in so viele Gesichter, vergesse ganz, dass ich unbedingt noch etwas Wasser brauche, um mein Gel zu mir zu nehmen. Ich quatschte dann einfach jemanden an, der eine noch fast volle Flasche hatte und „genoss“ noch einen leckeren PowerBar grünen Apfel. „Lecker Lecker Lecker“ (wie in der Seitenbacher-Werbung) !!!
Jetzt geht es langsam los, ein Prior betet noch ein letztes Gebet und alles stellt sich auf für die Nationalhymne. Geträllert von einem Typen, der irgendwas in seinem Hinter stecken haben muss. Das war absolut nix ! Aber was soll’s, ist das meine Hymne ? Nein isse nicht !!! ;o)
6:45 Uhr der Start der Pro´s, die Unmengen von Zuschauern fangen an zu toben. Die Stimmung ist wirklich klasse. Der Sprecher feuert die Menge an, die Menge reagiert. Die gelbe Fahne hängt schon (bedeutet : weniger als 15 Minute bis zum Start) Wir suchen uns nun einen Platz aus. Ich wollte eh ein wenig in die Mitte, hatte ich keine Angst vor der großen Menge und auch Thorsten blieb dort. Die Menge schien hier, leicht nach rechts versetzt, am geringsten zu sein und der Weg zur letzten Boje schien fast auch der direkteste zu sein.
Eine Gänsehaut jagte die Nächste. Mein Herz schlägt durch den viiiiieeel zu engen Neoprenanzug (so kommt es mir mal wieder vor) bis zum Hals hoch. Paula Newby-Fraser steht vor der Kamera und gibt Interviews. Miss Kona in unmittelbarer Nähe von uns. Ein Idol ! O.K. weiter geht es. Inzwischen hängt die grüne Flagge (bedeutet : Start steht unmittelbar bevor) Ich setzte ein letztes Mal meine Brille wieder ab, lecke noch mal die Gläser von innen ab, dann wieder drauf mit dem Ding. Als wäre die Sicht jetzt besser oder sie würde nun „dichter“ sein. Egal, ich sag noch zum Thorsten, er sollte doch auch langsam seine Brille aufsetzen, in diesem Moment fällt der Startschuss. Ich drücke wenigstens noch schnell auf meiner Uhr den „Start-Knopf“ und ab geht es in die Fluten. Die ersten 50 Meter sind eigentlich fast nur laufend zu bewältigen. Erstens ist das Wasser dort noch sehr flach und zweitens sind auf einmal Unmengen von Athleten um mich herum ! Jetzt beginnt doch tatsächlich die riesen Klopperei. Wahnsinn, das hatte ich in dem ganzen Jahr noch nicht erlebt. Schläge, drücken ziehen, alles was ging. Ich versuchte einfach nur ein Plätzchen und meine Rhythmus zu finden. Erst kurz vor der letzten Boje gelang mir das auch, aber direkt zur Boje ging das Spiel natürlich wieder von vorne los. Die, die von rechts auf die Boje zugeschwommen sind, kamen jetzt natürlich alle Richtung Boje, genauso von links. Die Keilerei ging also wieder von vorne los. Erst nach der letzten Boje konnte ich tatsächlich frei schwimmen. Danach hatte ich keine Probleme mehr. Und jetzt lief es auch. Ich spürte richtig, wie ich immer besser in Fahrt kam. Schon bald sah ich den Strand wieder und ich hatte auch das Gefühl, das ich ständig am Überholen war. Leider fand ich auch diesmal keinen geeigneten Wasserschatten. Bin an allen viel zu leicht vorbeigeschwommen. Dann war ich kurz vor dem Strand, ich konnte schon wieder Boden unter mir sehen, sprang mit ein paar kurzen Hechtsprüngen um schneller voran zu kommen und lief zügig aus dem Wasser. Ich schaute auf die Uhr und konnte nicht glauben, was ich da sah. Da blinkte ein 29:00 auf. Das konnte doch nicht sein. Ich lief durch den Sand, rannte aber nicht. Lucia kam kurz hinter mir aus dem Wasser, hää ? Sie ist eigentlich die wesentlich bessere Schwimmerin. Erst als es wieder Richtung Strand ging und mich der Daniel von Hannes Hawaii Tours anfeuert, wie gut ich doch in der Zeit wäre, gab ich ein wenig gas ! Wieder musste man die ersten 50 Meter mehr gehen, als schwimmen aber dann kam ich auch wieder schnell ins Schwimmen. Lucia sah ich noch ein paar Mal und wollte mich eigentlich so in ihrer Höhe aufhalten, denn das schien mir ein gutes Tempo zu sein. Leider fand ich auch dieses Mal keinen guten Wasserschatten, aber ich konnte ganz ungestört nun schwimmen. Man hat ja dann Zeit zum überlegen. Was war denn nur los, warum war ich denn so schnell unterwegs. Hab ich zuviel gemacht ? Ich horchte echt in mich hinein, ob mich das zu sehr anstrengen würde, aber es kam mir ganz leicht vor. Mensch, ich war nach dem IM-Germany ganze sieben Mal schwimmen gewesen. Das konnte doch gar nicht sein. Ich versuchte mich ein wenig zurückzuhalten, nicht voll power zu gehen. Der Rest verging wie im Flug. Bald kam die Wende, bald konnte ich den Strand wieder sehen und da war auch schon die letzte Boje. Raus aus dem Wasser, Blick auf die Uhr 1:03. Hammerzeit, so schnell bin ich noch nie geschwommen ! Den Strand hoch, Neo auf, die Arme raus, dann kam etwas, was ich wirklich gut fand. Da gab es ne Menge Helfer, die einem den Neo ausziehen halfen. Und zwar hast du dich einfach auf den Boden geschmissen und die haben dir dann zu zweit den Neo runter gerissen. Coole Sache ! Danach kamen ein paar Duschen, unter denen ich gründlich den Sand und auch das Salz abspülte. Dabei und auch in der Wechselzone habe ich mir richtig zeit gelassen. Die hatte ich ja jetzt auch, war ich doch 10 Minuten unter meinem Zeitplan.
Tüte fand ich super schnell, ab ins Zelt, Hose aus, kurz abtrocknen, meine Laufhose an, Trikot hatte ich ja bereits schon an, Nummer drüber. Das Alles machte ich in aller Ruhe im Sitzen. Meine Sachen packte dann ein netter Helfer zusammen und ich lief zu meinem Rad. Ab zum Ausgang und jetzt Vollgas !
Meine Lieblingsdisziplin. Eine Radstrecke, die nur mir liegen könnte. Ich freute mich richtig darauf, schon die ganze Woche. Und es wurde zu meiner Radstrecke. Von der ersten Minute lief es wie am Schnürchen. Schon nach ein paar hundert Meter hatte ich Lucia wieder überholt, die zwar nach mir aus dem Wasser kam, aber nicht so getrödelt hatte wie ich in der Wechselzone. Fortan war ich erstmal nur am Überholen. Mein Puls war zwar etwas höher als geplant, aber das ist er immer vom Schwimmen aufs Rad am Anfang. Ich kann gar nicht sagen, wie wohl ich mich auf meinem Rad gefühlt habe. Ich glaube nicht zu übertreiben, aber ich habe bestimmt um die 50 Radler überholt, lediglich zwei Radfahrer haben mich überholt. Einer davon war der Wolfi. Aber das war ja eigentlich nicht meine Liga. Mit denen wollte ich mich doch gar nicht messen. Aber ich konnte doch einigermaßen mitfahren, sie blieben die ganze Zeit im Blickfeld. Nach ca. 30 Meilen drehte ich mich zufällig mal um und sah plötzlich ein riesen Feld hinter mir. Ein Peleton hatte sich gebildet, von denen dann auch einige in mannschaftszeitfahrmanier sich an mir vorbei drückten. Es würde immer schwerer, den ordnungsgemäßen Abstand einzuhalten und ein riesiges Feld bildete sich. Ich versuchte ständig irgendwo ganz vorne zu fahren, damit ich einer erneuten Zeitstrafe wie in Frankfurt zu entgehen. Die Referee´s waren völlig überfordert, das Drafting(Windschatten)-Rennen war eröffnet. Und was machten die Wettkampfrichter ? Sie pickten immer wieder Fahrer von vorne raus und verteilten Strafen. Was für ein Quatsch, fuhren doch vorne noch die, die wirklich arbeiteten.
Wie auch immer, wie gesagt, ich fühlte mich so gut, dass ich permanent vorne gefahren bin und bei den Verpflegungsstellen konnte ich mich immer wieder ein wenig absetzen, aber nicht lange. Auf einmal tauchte auch Lucia wieder hinter mir auf, ein paar Schweitzer aus unserer Reisegruppe, die ich schon längst passiert hatte…. Na ja was soll´s !
Dies ging dann so noch 30 Meilen, bis sich das ganze wieder normalisiert hatte. Ein paar schnellere Radler sind nach vorne weg und jede Menge sind zurückgefallen, war für manchen doch ein zu hohes Tempo. Hatte ich zu diesem Moment um die 40 km/h auf meinem Tacho. Ich fragte mich selbst, ob das gut gehen könnte. War ich doch ganz klar auf eine Zeit unter 5 Stunden aus. Wie bitte ? Ich kann hier unter 5 Stunden bleiben ? Na ja, so richtig konnte ich es noch nicht glauben und strampelte brav weiter. Wir kamen zu der einen Wendestrecke bei Meile 70, wieder zurück, bei 75 oder so, sah ich dann den Thorsten endlich mal wieder. Er kam mir entgegen, war also so rund 10 Meilen hinter mir. War er also auch super gut unterwegs, das freute mich, andererseits wusste ich auch, dass es heute hart sein wird, vor ihm zu bleiben. Hehe, so ein wenig Konkurrenzkampf ist ja auch gut, gelle !?
Ute Mückel sah ich dann noch am Straßenrand stehen mit Reifenschaden und da fiel mir das erst Mal auf, was doch da permanent für ein holpriger Boden ist. Ein kurzes Stossgebet, dass ich davon verschont bleiben würde und weiter ging es. Meile 80 jetzt fuhr ich fast komplett allein. Ich überholte nicht mehr und wurde auch nicht überholt. Am Horizont sah ich eins zwei und hinter mir gut 500 Meter weg sah ich auch jemand. So ging das die ganze Zeit. Ich hatte immer noch einen Schnitt von knapp 39 km/h auf dem Tacho stehen. Wow, ich könnte tatsächlich unter den magischen fünf Stunden bleiben. Unglaublich. Meine Beine merkte ich zwar nun schon, denn auch wenn die Strecke einigermaßen flach ist, ein paar kleine Wellen gilt es trotzdem zu treten und außerdem hat man keinerlei Erholung für seine Beine. Die müssen die komplette Zeit arbeiten. Das schlaucht natürlich !!!
Ich kam langsam Richtung Abzweigung und jetzt kam plötzlich Wind auf. Verdammt ! Eigentlich wollte ich mich auf den letzten Meilen doch ein wenig schonen, für den Marathon. Sollte ich doch klar unter fünf Stunden bleiben. Jetzt musste ich schon anfangen zu arbeiten, ich konnte nicht locker lassen. Aber der Wind wurde immer schlimmer. Meine Beine wurden dadurch immer schwerer. Ich hatte vorher einen schönen runden Tritt, ich glaube, wäre ein Wattmesser am Rad gewesen, dann hätte der sicherlich gleich bleibende Zahlen gemeldet. Doch jetzt wurde es hart. Da kam zwar die Abzweigung, und über die Brücke drüber, doch jetzt stand man voll im Wind. So ein Shit. Kopf runter und durch, ich wollte verdammt noch mal unter den 5 Stunden bleiben. Schnitt nur noch 38. Ich fuhr teilweise nur noch um die 30 !
Immer noch überholte mich keiner, eins zwei überholte ich zum Schluss noch. Eigentlich sollte ich mich jetzt schonen, aber ich gab alles. Und kurz bevor ich wieder in Panama City an die erste Ampel kam, war es dann soweit, ich hatte meinen ersten Krampf in den Oberschenkel. Ich musste aufhören zu treten, streckte mich im Stehen um zu entkrampfen. Danach weiter treten, die Abstände, wann ich wieder einen Krampf bekam, wurden immer kürzer. Mensch nur noch 10-15 Meilen konnten es sein. Der Schnitt ging immer weiter runter. 37 Soweit konnte es doch nicht mehr sein. Die Abzweigung auf die Küstenstrasse, es mussten weniger als 10 Meilen noch sein ! Ich fuhr jetzt manchmal nur noch knapp über 20 km/h, jetzt war der Wind am heftigsten. Mir tat auf einmal alles weh. Hatte ich vorher doch zu viel gegeben ? Dann fuhr ich über einen Huppel und mein Tacho fiel weg. Jetzt wusste ich nicht mal mehr, wie mein Schnitt war. Mist, es lief doch sooo gut ! Na ja, es konnte ja jetzt wirklich nicht mehr weit sein. Es kam mir ewig vor. Dann sah ich endlich unsere Appartements Long Beach, jetzt noch durch eine „s“-Kurve und das Ende war in sicht. In der Wechselzone angekommen, klickte ich meine Schuhe aus und hatte wieder Krämpfe. Ich konnte an der Markierung nicht vom Rad steigen, so waren meine Beine Verkrampft. Ich stand ein paar Sekunden auf meinem Lenker gestützt, bevor ich vom Rad absteigen konnte. Dann lief ich in langsam mit schmerzen in die Wechselzone ein. Jemand nahm mir mein Rad ab und ich humpelte langsam Richtung Zelt. Dort angekommen wechselte ich ganz gemächlich meine Schuhe, setzte Helm ab und Kappe auf, nahm meinen Trinkgurt und ging ganz langsam weiter. Meine Beine waren immer noch total verkrampft und wenn mir jetzt einer einen Marathon mit 4:50 oder so angeboten hätte, ich hätte ihn sofort genommen. Ich wusste nicht, wie ich das jetzt noch schaffen sollte. Ich setzte mich erstmal auf einer der Bänke die dort standen und sagte mir, dann kannst du doch wenigstens mal in ruhe meinen Blutzucker testen.
Die Leute starrten mich vielleicht an. Die dachten auch, “Mensch der Typ, so weit vorne und der kann nicht mehr ???“ Tatsächlich war ich nach dem Radfahren auf Platz 127. !!! Inklusiver der Profis. Ich brauchte 5:03 für die Radstrecke (die übrigens 183km lang ist), mist 3 Minuten drüber, aber egal. Vielleicht habe ich die 3 Minuten vor der Zeitnahme vertrödelt, vielleicht sonst irgendwie. Egal, mit dieser Zeit hatte ich auf keinen Fall spekuliert! Blöd war nur, dass mein Rennen jetzt eigentlich gelaufen war. Wie sollte ich denn jetzt noch einen Marathon laufen ?
Ich ging es auf jeden Fall einmal an, wollte ich doch nicht so weit reisen, um dann kläglich noch vor dem Marathon aufzugeben. Was wäre dann die Radzeit wert ? NICHTS !!!
Der Marathon war die Hölle. Ich lief ganz langsam los. Ich war permanent ganz kurz davor, dass sich die Beine wieder verkrampften. Ich merkte das. Ich machte mir einen Plan. Laufe immer zwischen den Verpflegungsstellen und erhole dich kurz während der Verpflegung, trinke ordentlich und vielleicht wird es ja was. Jede Meile gab es eine so genannte Aid-Station. Ich lief genau bis zum Anfang dieser Station, nahm dann Wasser, Gatorade, nochmals Wasser und zum Schluss zwei Schwämme. Dann ging es wieder los. Es war furchtbar. Im Training glaubt man gar nicht, wie man denn langsamer als einen 6er Schnitt laufen soll, das geht doch gar nicht, da muss man ja gehen…. Es geht ! Ich beobachtete die Uhr, jede Meile inklusive meinem Boxenstopp, benötigte ich 10 Minuten. Wenn ich das durchlaufen könnte, dann würde ich eine 4:25 laufen. Das muss doch zu schaffen sein. Aber nur, wenn die Krämpfe nicht schlimmer werden. So war mein Plan. Ich versuchte an alles andere zu denken, um mich abzulenken. Ich hielt mir vor Augen, dass ich hier mehrere 1000 km Reise und ich jetzt nicht so jämmerlich versagen konnte. Noch war es ziemlich leer auf der Laufstrecke, ich wurde nur andauernd überholt. Aber das war ja klar, damit hatte ich ja gerechnet. Aber mir kam es vor, als würde das halbe Feld an mir vorbei schießen. Die waren alles so schnell und ich war wie eine Schildkröte unterwegs. Schon frustrieren ! Ich wünschte mir, schon auf der zweiten Runde zu sein. Aaaah, da kam die nächste Verpflegung. So rettete ich mich bis zum Alligator-Park. Dort war der Wendepunkt und es ging wieder zurück !
Nur drei Minuten nach der Wende kam mir schon Lucia entgegen. Ich dachte mir, sie muss aber schon sehr viel beim Laufen aufgeholt haben. Läuft sie ja ständig eine 3:45 im Marathon. Also machte ich mich schon darauf gefasst, dass sie auf einmal neben mir auftauchen würden.
Weiter ging es. Es war brutal heiß, ich hatte mir schon beim Radeln so dermaßen den Pelz verbrannt, hab ich doch nach dem Schwimmen die netten Mädels mit der Sonnencreme verpasst. Jetzt wurde mir immer wärmer und wärmer. Ich hatte die ganze Zeit Schwämme in der Hand, um mich abzutupfen und zu erfrischen. Schon fast am Ausgang des Alligator Parks kam mir dann auch schon der Thorsten entgegen. Maximal waren das 15 Minuten Vorsprung. Der sollte mich also auch noch locker holen, waren doch noch knapp 30 km zu laufen.
Ich weiß nicht, wie ich es geschafft habe, aber ich bin tatsächlich immer exakt die 10 Minuten auf die Meile gelaufen, inkl. der „Pause“ ! Schon bald kam ich wieder Richtung Wechselzone. Dort wurde es lauter, viele Menschen waren nun an der Strecke, machten Party und überall hallte einem Musik entgegen. Hier fiel es einem leichter zu laufen. Zack, da war der Wendepunkt und der Halbmarathon war geschafft. Lucia und Thorsten hatten mich noch immer nicht passiert. Denen schien es auch nicht besser zu gehen, dachte ich so bei mir. Der Abstand zu Lucia hatte sich fast gar nicht verändert, Thorsten war vielleicht 2-3 Minuten näher gekommen. Jetzt war ich an der Stelle, wo ich mir vorhin gewünscht hatte, schon auf der zweiten Runde zu sein. Toll ! Und jetzt ? Jetzt bin ich hier und es geht mir auch nicht viel besser ! Hehehe. Aber doch vom Kopf her ging es mir schon tatsächlich besser. Ich hatte es bisher geschafft, ich würde es auch hoffentlich bis ins Ziel schaffen. Jetzt überholte ich auch mal wieder, das waren zwar Läufer, die noch auf der ersten Runde waren, die ich also nicht wirklich überholte, aber dem Ego tat das trotzdem gut. Was soll ich sagen, als ich zum letzten Mal in den Alligator Park lief, schaute ich das erste Mal wieder auf die Uhr, um zu schauen, welche Endzeit ich denn nun eigentlich machen könnte. Ich rechnete hin und her und konnte es nicht glauben, dass ich trotzdem noch auf eine Zeit unter 11 Stunden kommen könnte, ja sogar noch unter den 10:42 bleiben. Der bisherigen schnellsten Zeit eines Diabetikers in einem Ironman Rennen ! Das beflügelte mich. Ich durfte trotzdem nicht schneller machen. Sofort war ich kurz vor einem heftigen Krampf. Ich musste weiterhin an jeder Verpflegungsstelle meine Beine lockern und ausschütteln. Lucia war nun eher sogar wieder etwas weiter von mir weg. Ihr schien es auch nicht gut zu gehen. Thorsten war auch nicht wirklich viel näher gekommen. An was man sich in so einem Lauf dann hochzieht, ist schon lustig. Aber mir war es nun eh egal, ich konnte nicht schneller und ich konnte nicht langsamer. Ich musste nur durchkommen. Die Menschen am Rand wurden wieder mehr, ich querte ein letztes Mal die Hauptstrasse, die letzte Aid-Station ließ ich sogar ganz aus und lief weiter. Auf den letzten 300 Metern gab mir Christina dann wie vereinbart meine Flagge und ich lief mit einem Breiten Grinsen im Gesicht in Richtung Ziel. Die letzte Wende und dann noch den Berg hoch, die Beine krampften dabei wieder, aber jetzt war alles egal. Ich hatte es geschafft ! Nach 10:37,55 überquerte ich die Ziellinie und sackte direkt danach nieder. Ich konnte wirklich nichts mehr machen. Meine Beine waren leer, mein Körper streikte nun völlig. Die Helfer mussten mich tatsächlich per Rollstuhl ins Erste Hilfe Zelt fahren. Ich bekam das ehrlich gesagt gar nicht so mit. Erst als ich im Zelt auf der Liege lag, bekam ich wieder etwas mit. Mir viel es echt schwer, mich mit den Leuten und Ärzten zu unterhalten. Ich verstand kaum englisch, mir fielen die Wörter nicht ein. Egal, ich bekam dann eine Infusion und eine nette alte Dame rieb mir ganz sanft über meine total verkrampften Beine. Nach etwa 10 Minuten realisierte ich, was gerade passiert war. Ich hatte es geschafft. Ich war um Etliches schneller, als ich es mir erhofft hatte. Meine Radzeit war genial, aber was mich wirklich richtig glücklich macht, ist der unglaubliche Wille, das Ding durchzulaufen und anzukommen. Ich bin bis auf die Verpflegungsstellen kein einziges Mal gegangen. Das war wirklich ne tolle Erfahrung, sich so zu quälen. Einen Marathon zu laufen, trotz heftiger Krämpfe und dann in 4:21, das nun auch nicht soooo schlecht ist ! ;o)

Das jetzt noch die schnellste Zeit eines Diabetikers dabei raus kam, ist das I-Tüpfelchen auf der ganzen Sache. Fühlt und hört sich sehr gut an !

Ist das geil !!!

Das sind die Fakten :

Schwimmen : 1:03,53 Platz 285
Wechsel : 4:45
Radfahren : 5:03,32 Platz 110
Wechsel : 4:35
Marathon : 4:21,10 Platz 512

Gesamtzeit 10:37,55
Platz 260 Gesamt Altersklasse(30-34) 47. Platz von über 400 gestarteten

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